Aus der Katastrophe jetzt die richtigen Schlussfolgerungen ziehen

Tobias Koch, MdL, zur HSH-Nordbank Abwicklung.

Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

lassen Sie mich mit dem Positiven beginnen: Vor zweieinhalb Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ein Verkauf der HSH Nordbank überhaupt gelingen könnte! Schließlich galt es, die Bank als Ganzes zu verkaufen – inklusive aller nach wie vor vorhandenen Problemkredite – und das auch noch zu einem positiven Kaufpreis.

Niemand hätte es damals für möglich gehalten, dass ein regelrechter Bieterwettkampf den Preis auf 1 Mrd. Euro nach oben treiben würde. Bei der WestLB gab es zuvor keinen einzigen Käufer, der auch nur einen Euro bezahlt hätte.

Es gibt zwei wesentliche Gründe dafür, dass die hinter uns liegende Verkaufsverhandlungen derart erfolgreich verlaufen sind:

Das ist zu allererst die Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HSH Nordbank selbst: Sie haben mit einem beschleunigten Abbau der Altlasten sowie gleichzeitig mit einem ertragreichen Neugeschäft die Bank überhaupt erst wieder attraktiv für potentielle Käufer gemacht. Das ist zweitens aber auch der Verdienst eines höchst professionell gestalteten Verkaufsprozesses. Ich will an dieser Stelle insbesondere einen Namen nennen, nämlich den von Staatssekretär Dr. Philipp Nimmermann!

Wir alle – und das gilt auch für den Hamburger Senat – können uns überaus glücklich schätzen, dass wir einen derartig versierten Verhandlungsführer auf unserer Seite hatten.

Lieber Dr. Nimmermann, Sie haben nicht nur mit den Bietern über höchst komplexe Vertragsgestaltungen fachlich fundiert und mit viel Geschick auf Augenhöhe beraten, sondern haben auch die Landtagsgremien stets transparent über den jeweiligen Verhandlungsstand und die anstehenden Entscheidungen informiert. Dafür im Namen der CDU Landtagsfraktion unser aller Dank.

Im Ergebnis bleibt die HSH Nordbank als Unternehmen mit einem erheblichen Teil der Arbeitsplätze erhalten.

Die Belastung für den Landeshaushalt fällt selbst im schlimmsten Fall um eine Mrd. Euro niedriger aus als die 8 Mrd. Euro, von denen realistischer Weise vor zwei Jahren auszugehen war.

Und es gab ja auch namhafte Landespolitiker, die sogar einen Gesamtschaden von 20 Mrd. Euro und somit jeweils 10 Mrd. für Hamburg und Schleswig-Holstein erwartet hatten. Diese Befürchtung bewahrheitet sich jetzt nicht!

Damit sind wir dann aber auch am Ende der positiven Nachrichten angelangt. Die höchst wahrscheinlich auf den Landeshaushalt zukommende Belastung von 5,4 Mrd. Euro ist nämlich trotz alledem ein deprimierendes Ergebnis mit folgenschweren Auswirkungen.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen fünf Jahren hat Schleswig-Holstein knapp 1 Mrd. Euro an Altschulden getilgt. Bei diesem Tempo wird es über 30 Jahre dauern, nur um den durch die HSH Nordbank verursachten Schaden zu beseitigen.

Um so wichtiger ist jetzt die Erarbeitung eines Schuldentilgungsplans, wie ihn der Landtag in seiner letzten Sitzung auf Antrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP einstimmig befürwortet hat.

Der Schuldenberg des Landes wird auf über 30 Mrd. Euro anwachsen. Darüber hinaus werden auch die zusätzlichen Zinsausgaben den politischen Handlungsspielraum gravierend einengen.

Dank des derzeitigen Zinsniveaus mögen es anfänglich „nur“ 50 bis 70 Mio. Euro jährlich sein, aber auch dieses Geld wäre bei Kinderbetreuung, Bildung und Infrastrukturausbau weitaus besser eingesetzt, als jetzt für die Erblasten der HSH Nordbank.

Mit dem heute ebenfalls zu beschließenden zweiten Nachtragshaushalt sorgen wir immerhin dafür, dass die Zinsausgaben so niedrig wie möglich ausfallen, indem wir die Kredite nicht über die Finanzfonds AöR, sondern direkt beim Land aufnehmen, zu den etwas günstigeren Konditionen der öffentlichen Hand.

Aber nicht nur bei den Zinsausgaben, sondern auch bei der Verkaufsentscheidung insgesamt geht es nicht mehr um das „ob“, sondern nur noch darum, in welcher Höhe zusätzliche Belastungen auf die Steuerzahler zukommen. Es gilt abzuwägen zwischen dem von der Landesregierung befürworteten Verkauf auf der einen- oder der Abwicklung der HSH Nordbank auf der anderen Seite.

Was muss man sich im Falle einer Abwicklung vor Augen führen? Kein einziger Arbeitsplatz bleibt erhalten. Eine Abwicklung erfolgt nicht mehr in Eigenverantwortung der Eigentümer wie bei der WestLB, sondern unterliegt den strengen Vorgaben des einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsmechanismus. Dies wiederum hätte gravierende Folgen. Nicht nur für die Sparkassen, sondern für alle Einleger und Kapitalgeber der Bank, seien es Versicherungen oder Pensionsfonds. Entscheidend für den Landtag kann und darf aber gleichwohl allein die Frage sein, welche Lösung die vermögensschonendste für den Landeshaushalt und damit die Steuerzahler ist.

Hier sind es zwei Faktoren, die gegen eine Abwicklung und für einen Verkauf sprechen:

Das ist zum einen natürlich der Kaufpreis, der bei einer Abwicklung nicht erzielt wird, so dass dem Land in diesem Fall sein Anteil von 500 Mio. Euro am Verkaufserlös entgehen würde. Zum anderen ist im Falle einer Abwicklung der dann zum Tragen kommende Restbetrag aus der Gewährträgerhaftung inklusive Pensionsverpflichtungen zu nennen. Aus diesen etwas mehr als 3 Mrd. Euro könnten über 600 Mio. Euro Belastungen auf Schleswig-Holstein entfallen. Zusammengenommen somit ein Vorteil von über 1 Mrd. Euro für den Landeshaushalt bei einem Verkauf gegenüber einer Abwicklung.

Meine Damen und Herren, sie sehen, welche Bedeutung die Gewährträgerhaftung selbst heute – 13 Jahre nach ihrem Ende – immer noch für die Entscheidungsfindung besitzt. Von den bis zum Jahr 2005 gemachten Zu-sagen der Länder über gigantische 165 Mrd. Euro sind heute nur noch rund 3 Mrd. Euro Gewährträgerhaftung über – aber darauf entfällt mehr als die Hälfte des Vorteils bei einem Verkauf gegenüber einer Abwicklung.

Ich betone das deshalb so nachdrücklich, weil daran noch einmal sehr deutlich wird, weshalb im Jahr 2009 bei einer Gewährträgerhaftung von damals 65 Mrd. Euro eine Rettung der HSH Nordbank zwingend notwendig war. Eine Abwicklung zum damaligen Zeitpunkt hätte Schleswig-Holstein aufgrund seines Anteils von 20% an der Gewährträgerhaftung bis zu 13 Mrd. Euro kosten können. Die jetzt eintretende und wirklich schmerzhafte Belastung des Landeshaushaltes mit 5,4 Mrd. Euro ist deshalb nicht die Folge der Rettungsmaße im Jahre 2009, sondern die Folge der in den Jahren 2003 bis 2007 gemachten Fehler.

Der Satz von Heide Simonis „Wir waren damals ganz besoffen vom Erfolg“ bringt das zutreffend zum Ausdruck. Im Nachhinein muss man fest-stellen: Die Gründung der HSH Nordbank war die folgenschwerste Fehlentscheidung, die die Landespolitik jemals getroffen hat! Es war von Anfang die falsche Weichenstellung, eine betuliche Landesbank zur internationalen Geschäftsbank mit zweistelligen Renditeerwartungen und Börsenplänen auszubauen. Die vermeindlich clevere Ausnutzung der Gewährträgerhaftung bis zum Frühjahr 2005, hat sich anschließend als lebensbedrohlicher Bumerang erwiesen.

Meine Damen und Herren, bei aller Deutlichkeit dieser Worte bitte ich Sie, diese gleichwohl nicht als einseitige Schuldzuweisung, sondern als nüchterne Tatsachenfeststellung zu verstehen. Niemand kann aber ehrlicherweise von sich behaupten, dass er bei eigener Regierungsverantwortung damals mit Sicherheit anders entschieden hätte. Das gilt für Politiker jeglicher Couleur genauso wie für alle klugen Kommentatoren in der Öffentlichkeit.

Fehler sind zudem nicht nur bei der Gründung der HSH Nordbank, sondern zweifelsfrei auch auf der gesamten Wegstrecke gemacht worden: Ein vollkommen unzureichendes Risikomanagement innerhalb der Bank, fehlende Warnsignale von Wirtschaftsprüfern und Bankenaufsicht sowie Kontrolldefizite durch den Aufsichtsrat seien hier ebenso genannt, wie die Entscheidung aus dem Jahr 2011 zur Reduzierung der Garantiesumme.

Nach wie vor hat deshalb das Ergebnis des HSH Untersuchungsausschusses nichts an seiner Gültigkeit verloren: Es gibt nicht den einen Schuldigen für das Desaster der HSH Nordbank, sondern es handelt sich vielmehr um einen Fall von Kollektivversagen. Umso wichtiger ist es, aus dieser Katastrophe jetzt die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, damit sich ein derartiger Fehler niemals wiederholen kann!

Schleswig-Holstein muss sich auf seine Kernaufgaben bei Bildung, Sicherheit und Infrastruktur konzentrieren. Unternehmerische Betätigungen mit Gewinnerzielungsabsicht gehören definitiv nicht dazu. Sie sollten tunlichst privaten Kapitalgebern überlassen bleiben, damit nie wieder der Steuerzahler für Verluste aus solchen Geschäften in Anspruch genommen wird.

Das traurige Kapitel der HSH Nordbank muss uns allen eine Lehre sein, die hoffentlich so schnell nicht wieder in Vergessenheit gerät!