"Probleme anpacken, statt sich zu viel mit sich selbst zu beschäftigen“

27.02.2020

Ministerpräsident Daniel Günther spricht in Bargteheide vor über 120 Zuhörern über aktuelle Politik und zur Halbzeitbilanz von Jamaika.

„Gestern Abend bei Lanz, heute in Bargteheide.“ Der Landtagsabgeordnete Claus Christian Claussen begrüßte einen prominenten Parteifreund als Gast des CDU-Ortsverbandes Bargteheide im Jagdschloss Malepartus: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther war eingeladen, Halbzeitbilanz seiner ersten Amtszeit zu ziehen.  

„In der Politik ist man gut beraten, stärker über die Zukunft nachzudenken als über die Vergangenheit zu reden“, sagte Daniel Günther einleitend. Deshalb wollte er nicht nur über das sprechen, was die Jamaika-Koalition in den ersten zweieinhalb Jahren dieser Legislaturperiode erreicht hat, sondern auch auf die künftigen Herausforderungen schauen. „Wir müssen schon jetzt dafür sorgen, dass unser Land auch in 20 Jahren noch gut aufgestellt ist.“

Günther begann mit grundsätzlichen Überlegungen darüber, dass er sich um eine Welt sorge, die unberechenbarer geworden sei, und dass ausgerechnet in diesen weltpolitisch unruhigen Zeiten der Zusammenhalt zum Beispiel innerhalb der EU nicht mehr so funktioniere, wie es notwendig wäre. Dabei sollte jedem klar sein: „Kein Land kann die Herausforderungen allein bewältigen.“ Günther beklagte zudem, dass in unserer Gesellschaft die Bereitschaft zu Kompromissen gering sei, weil zu oft eigene Interessen verfolgt würden — was einen fließenden Übergang zur aktuellen Krise der Volksparteien ermöglichte.

„Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir stärker im Sinne der Gemeinschaft handeln“, sagte der Ministerpräsident und fügte warnend hinzu, dass die Volksparteien in dieser Situation an einem Scheideweg stünden. Parteien sollten sich davor hüten, Personalien und strategische Fragen in den Vordergrund zu stellen. „Damit verlieren wir Vertrauen“, mahnte Günther. „Die Menschen im Land wollen, dass die wirklichen Probleme angepackt würden, und sie wollen nicht, dass Parteien sich in ihrem Handeln um sich selbst drehen.“ Die CDU stehe für Bodenständigkeit, Verlässlichkeit und sei immer bereit gewesen, Regierungsverantwortung zu übernehmen. „Unser Anspruch muss es sein, vernünftige Politik zu machen.“

Bei der anstehenden Wahl eines neuen Parteivorsitzenden solle man sich vor Polarisierungen im Richtungsstreit hüten. Günther lobte den Verzicht von Jens Spahn auf eine Kandidatur, er habe sein Interesse zugunsten der Gemeinsamkeit zurückgestellt. „Es sollte bei der Wahl nicht nur um eine Person gehen. Wir brauchen auch Friedrich Merz, seine Kompetenz im Wirtschaftsbereich, aber er sollte sich in ein Team hineinbegeben.“ Daniel Günther sagte, er selbst unterstütze die Bewerbung von Armin Laschet, weil er derjenige sei, der alle Flügel der Partei, also die gesamte Bandbreite der CDU, repräsentieren könne. „Um wieder zu Wahlergebnissen von 40 Prozent zu kommen, benötigen wir eine breite Aufstellung.“

Zudem werde es wichtiger, über Parteigrenzen hinweg Kompromisse zu schließen. Die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein sei in dieser Hinsicht ein gelungenes Projekt. „Wir haben uns nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, sondern jeder bringt seine Stärken ein“, sagte Günther. „Deshalb konnten wir in Schleswig-Holstein eine Menge PS auf die Spur bringen.“
Der Ministerpräsident zählte als rasch umgesetzte Programme den Übergang zum G-9-Abitur, die verbesserte innere Sicherheit durch stärkere Polizeipräsenz und das reformierte Finanzausgleichsgesetz auf, das den Kommunen deutlich mehr Geld lässt, womit zum Beispiel im Kita-Bereich etwas bewegt werden könne. Besonders wichtig und zukunftsträchtig seien die Veränderungen im Schulbereich, wo die Anforderungen ans Abitur und damit auch dessen Qualität erhöht worden seien, zugleich sei man aber auch dabei, andere Schulabschlüsse aufzuwerten, um dem Fachkräftemangel etwa in Handwerk oder Pflege zu begegnen.

Im anschließenden Frageteil hielt Günther ein Plädoyer für mehr Frauen in politischen Führungspositionen. Er finde es despektierlich, dass bei der SPD-Vorstandswahl Frauen nur als Ergänzung von Männern, die sich für befähigt hielten, ins Gespräch gebracht worden seien. Frauen brächten neue Akzente in die Politik, sie trauten sich jedoch seltener als Männer, sich offensiv um wichtige Posten zu bewerben. Deshalb sollte man in der CDU das Engagement von Frauen befördern, auch durch eine Quote. „Und wir sollten auch bedenken: Mehr als 50 Prozent unserer Wähler sind weiblich.“

Auf die Frage, wie die CDU mehr junge Menschen für politisches Engagement gewinnen könne, antwortete Günther, er besuche regelmäßig Schulen und nehme sich dort Zeit für Diskussionen. „Ich habe den Eindruck, dass viele junge Menschen sich für politische Fragen interessieren und für die Lösung von Zukunftsfragen engagieren — aber sie finden, dass die Politik zu langsam Entscheidungen trifft und dass in Deutschland alles zu lange dauert. Sie wollen, dass wir nicht nur viel reden, sondern auch handeln. Wenn wir durch unsere Taten überzeugen, werden wir auch junge Menschen für die Arbeit in der CDU gewinnen.“

75 Minuten lockere, aber prägnante Rede und viel Zustimmung von den mehr als 120 Zuhörern — darunter der Bundestagsabgeordnete Gero Storjohann (Wahlkreis Segeberg und Stormarn-Mitte), Tobias Koch, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Kieler Landtag, und Joachim Wagner, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion in Bad Oldesloe. Gastgeber Claus Christian Claussen dankte für einen erfrischenden Auftritt — genau wie gestern bei Lanz.“