Können wir uns soziale Leistungen überhaupt noch erlauben?

21.06.2010

Unter dem Motto: „Können wir uns soziale Leistungen überhaupt noch erlauben“ veranstaltete die Stormarner CDA ihre Politikschnackrunde im Braaker Krug. Gäste waren der Landtagsabgeordnete und stellv. Vorsitzende im Kieler Sozialausschuss, Mark-Oliver Potzahr und der Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, Egbert von Frankenberg, Mitglied im Hamburger Sozialausschuss und Vorsitzender der CDA-Hamburg.

Der Landtagsabgeordnete Mark-Oliver Potzahr erläuterte das Sparkonzept der Kieler Landesregierung. Es gilt dort der Grundsatz, „wer einen Brocken rausnehmen will, muss dafür einen anderen Brocken zusätzlich einsetzen“. Er bezeichnete das Sparpaket als ausgewogen und gerecht. Man spüre dies an den flächendeckenden Protestaktionen. Bei der Aufstellung der Sparbeschlüsse hat sich die Landesregierung auch an anderen Bundesländern orientiert. Schleswig Holstein ist hinter dem Saarland das finanziell ärmste Land in Deutschland. Es ist deutlich geworden, dass Schleswig Holstein bei einer jährlichen Zinslast von über 1 Milliarde Euro und trotz des niedrigen Zinsniveaus auf Grund der Gesamtschuldenlast von 25 Milliarden Euro nicht so weiter machen könne. Außerdem sind die Ausgaben im Haushalt immer noch höher als die Einnahmen. Wir nehmen heute neue Schulden auf, um den laufenden Haushalt finanzieren zu können und die alten Schulden zu bezahlen. Nach diesem Prinzip wären schon alle Firmen und jeder Privathaushalt insolvent gegangen.

Nicht nur das dritte kostenlose Kindergartenjahr, sondern alle Leistungen -auch die sozialen Leistungen- sind auf den Prüfstand gekommen. Die Einführung des kostenlosen dritten Kindergartenjahres kostete das Land jährlich 35 Millionen Euro, d.h., dass Kinder, die heute noch im Kindergartenalter sind, diese Zinsbelastung in 20 Jahren mit mindestens 70 Millionen € zurückzahlen müssten. Mit anderen Worten, die zusätzliche Belastung von heute 35 Millionen Euro muss von unseren Kindern in 20 Jahren in doppelter Höhe zurückgezahlt werden. Keine guten Aussichten für unsere Kinder. Das ist nicht sozial. Zukünftig werden die Eltern deshalb das letzte Kindergartenjahr wieder selbst bezahlen müssen.

Es kann nicht gerecht und sozial ausgewogen sein, dass wir Kredite aufnehmen müssen, um Eltern Geld für ihre Kinder zu geben, die das Geld dann später, wenn sie erwachsen sind, wieder um ein Vielfaches zurückzahlen müssen. Sozialpolitik wird sich immer in einem Spannungsfeld zwischen der Wirtschafts- und Finanzpolitik bewegen. Aufgabe der Politik ist es, hierbei die Waage zu halten. Beim Sparen müssen sich alle Gruppen beteiligen.

Der Sozialexperte Potzahr lobte das Engagement der Grünen im Kieler Landtag. Sie hätten sich in Schleswig Holstein als konstruktive Opposition entwickelt und seien verlässlich. Abschließend zeigte Mark-Oliver Potzahr die Ziele der Kieler Sozialpolitik auf:

Unsere Kinder haben Priorität. Wir müssen die sozialen Leistungen überprüfen und uns sogenannte Fehlleistungen ansehen. Dem Schwachen müssen wir weiterhin helfen, aber dem Faulen müssen wir genau auf die Finger sehen und ggf. Korrekturen vornehmen. Eigeninitiativen, Stiftungen und Ehrenämter müssen weiter gefördert werden. Die Einnahmenseite muss durch geeignete Maßnahmen verbessert werden.

Der Bürgerschaftsabgeordnete Egbert von Frankenberg schilderte ähnliche Wahrnehmungen bezüglich des Hamburger Haushaltes. Auch im Hamburger Haushalt ist der Sozialetat mit 2,5 Milliarden Euro der größte Brocken. In Hamburg redet man derzeit im Sozialbereich nicht über Kürzungen, sondern über die Begrenzung von Zuwächsen. Hamburg muss auch auf die hohe Anzahl von Alleinerziehenden Rücksicht nehmen und sich darauf einstellen. Die Kindergartenbeiträge mussten in Hamburg erhöht werden, um die Leistungen in diesem Bereich nicht zu verschlechtern. In Hamburg wird die Kindergartenarbeit als Bildungsauftrag angesehen. Und Bildung ist in Hamburg zu einem Schwerpunktthema geworden. Es ist ermittelt worden, dass Hamburgs Schulen sich in einem schlechten Zustand befinden. Für Hamburgs Schulen ist ein Investitionsstau von 3 Milliarden Euro ermittelt worden, der jetzt abgebaut werden muss. Schulen müssen wieder mehr Geld für die Erhaltung und Erneuerung von Gebäuden erhalten.

In Hamburg ist die Kürzung des Blindengeldes wieder zurückgenommen worden. Das Blindengeld an sich ist eine der freiwilligen Leistungen, die die Länder selbst bestimmen können.

Der Sozialexperte aus Hamburg berichtete, dass mehr als drei Viertel des Gesamthaushaltes feste Kosten sind und die Politik nur noch für weniger als ein Viertel der Kosten Entscheidungsspielraum hat.“ Auch die Hamburger CDU geht den Weg, dass Sozialpolitik einen aktivierenden Charakter haben muss. Menschen dürfen nicht zu Leistungsempfängern erzogen werden. Hierbei ist die Hilfe zur Selbsthilfe ist eine gute und bewährte Lösung. Die Hamburger CDU wird nicht den Weg gehen, wie es immer noch von der SPD angekündigt wird: darf es nicht noch etwas mehr sein? Egbert von Frankenberg lobte die Arbeit mit den Abgeordneten der Grünen. Sie ist konstruktiv und mit den Einstellungen der Grünen noch vor etlichen Jahren überhaupt nicht mehr zu vergleichen. Sozialpolitik wird auch in Hamburg weiterhin einen Schwerpunkt in der Landespolitik haben.

Aus dem Kreis der Gäste gab es zahlreiche Anregungen, wie Politik gestaltet werden sollte. U. a. sollten zukünftig die Gesetze so gestaltet sein, dass nicht immer mehr Leistungen gefordert werden können. Es muss mit mehr Beschränkungen gearbeitet werden. Erhebliche Kritik gab es in Richtung Bundespolitik. Die Schwarz-Gelbe-Koalition hat allen Kritikern mit ihrem unprofessionell angekündigten Sparkonzept so gute Steilvorlagen gegeben, dass die Konzepte schon im Vorwege zerrissen wurden. Alle Teilnehmer der Veranstaltung waren sich einig, dass das zerrissene Bild der Bundespolitik umgehend verändert werden muss. Es ist vom Bürger nicht gewollt. Ziel der Politik muss es auch sein, Menschen aus der Resignation herauszuholen. Es darf nicht sein, dass immer mehr Menschen zu wichtigen Themen schweigen und sich zurückziehen.Dazu der CDA-Kreisvorsitzende Jürgen Lamp: „Die lebhafte Diskussion über die Haushaltslage in Kiel und in Hamburg machte deutlich, wie schwierig heute Sozialpolitik ist. Sofern nicht gespart wird, ist Sozialpolitik bald gar nicht mehr möglich. Sozialpolitik ist wichtig und im Sinne der Menschen, für die wir uns einsetzen. Erfreulich ist, dass die beiden Abgeordneten die Frage, ob wir uns soziale Leistungen überhaupt noch erlauben können, mit einem deutlichen „ja“ beantwortet und auch ausführlich erläutert haben!“ Dazu Lamp weiter: „Wir freuen uns natürlich über jede neu aufgetauchte Steuer-CD, die unerwartete zusätzliche Steuereinnahmen verspricht. Es gibt durch die mittlerweile auf 265 angestiegenen Selbstanzeigen von Steuersündern in Schleswig Holstein nach den letzten Hochrechnungen eine Mehreinnahme von ca. 46 Millionen Euro, die dem Haushalt zugeführt werden. Aus Sicht der CDA sollten die Steuerfahnder personell noch besser ausgestattet werden. Es würde sich lohnen und führe zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Ein weiteres Schwerpunktthema von guter Finanz- und Sozialpolitik sollte die Bekämpfung des Lohndumpings sein. Lohndumping ist nicht nur schlecht und unsozial für die Beschäftigten, dem Staat und dem gesamten Sozialsystem gehen dadurch wichtige Einnahmen verloren, die wir dringend benötigen!“ Die angekündigten Sparmaßnahmen in Schleswig Holstein bei den Gehältern der Regierungsmitglieder wurde als maßvoll angesehen. Die aktuellen Entscheidungen im Hannoveraner Landtag bezüglich der Diätenerhöhungen wurden aber erheblich kritisiert. Gerade in schlechten Finanzzeiten ist die Erhöhung der Abgeordnetendiäten im dortigen Landtag die total falsche Botschaft, stößt auf Unverständnis und trägt zur Politikverdrossenheit bei.

Abschließend der CDA-Kreisvorsitzende Jürgen Lamp: „Aus meiner Sicht wird Sozialpolitik immer wichtiger, denn es gilt mehr denn je der Grundsatz, dem Schwachen muss geholfen werden und dass auch bei schwieriger Haushaltslage. Oft wird in der Öffentlichkeit behauptet, dass in der heutigen Zeit kaum einer mehr für Sozialpolitik zuständig sein mag. Dem möchte ich hiermit deutlich widersprechen. Mark-Oliver Potzahr und Egbert von Frankenberg sind der Beweis dafür, dass Sozialpolitik mit Herz aber auch kritisch betrachtet werden muss. Und auch wenn der Druck von Vereinen und Verbänden zunimmt, müssen auch von Sozialpolitikern in alle Richtungen weiterhin deutliche Worte gesprochen werden. Sozial zu gestalten ist noch nie einfach gewesen. Ich habe deshalb hohe Achtung vor unseren Abgeordneten, die sich mit Sozialpolitik auseinander zu setzen haben und auch immer bereit sind, Rede und Antwort zu stehen!“