„Politik will wissen, was die Wirtschaft denkt“

20.12.2021

Hintergrundgespräch vom Verband und Serviceorganisation der Wirtschaftsregionen Holstein und Hamburg und MIT Stormarn mit Tobias Koch und Lukas Kilian

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion Stormarn (MIT) demonstrierte mit ihrer Initiative, Politik und Wirtschaft in einen fruchtbaren Gedankenaustausch zu bringen, gutes Gespür für die richtigen Akteure. Im Reinbeker Schloss trafen sich die Stormarner CDU-Landtagsabgeordneten Tobias Koch und Lukas Kilian mit dem Vorstandsvorsitzenden Oliver Franke und Geschäftsführerin Nicole Marquardsen vom Verband und Serviceorganisation der Wirtschaftsregionen Holstein und Hamburg e. V., kurz VSW. Für die MIT nahm deren stellvertretende Vorsitzende, die Unternehmerin Beatrix Wendland, an dem zweistündigen Hintergrundgespräch teil.

Wenn es um ein aktuelles Stimmungsbild der mittelständischen Wirtschaft geht, ist der VSW eine erste Adresse. Der Verband mit Sitz in Glinde vertritt rund 430 Unternehmen, die überwiegend in Stormarn zu Hause sind, aber auch aus dem benachbarten Kreis Segeberg beziehungsweise aus dem Hamburger Osten kommen, vereinzelt auch von weiter her in Schleswig-Holstein oder aus dem Bundesgebiet. Der VSW unterstützt seine Mitglieder vor allem durch arbeitsrechtliche Beratung und Prozessvertretung, ermöglicht das Netzwerken durch Unternehmertreffen und bietet ein Programm von Fortbildungen an.

„Politik will wissen, was die Wirtschaft denkt“, sagte der im Mai frischgewählte VSW-Vorstand und Unternehmer Oliver Franke und präsentierte Ergebnisse der vom Verband im November durchgeführten Wirtschaftsumfrage 2021, also ein höchst aktuelles Stimmungsbild der Unternehmen. „Pauschal gesagt, hat unsere Mitgliederbefragung ergeben, dass die Situation als nicht so schlecht bewertet wird. Es gibt Branchen, die Corona-bedingt ein Problem haben, andere merken die Folgen nicht, diverse Branchen hatten auch während der Pandemie steigende Umsätze.“ Dennoch gebe es auch Zukunftssorgen. In der Umfrage, so Franke, seien als Problemfelder drei Punkte mehrheitlich genannt worden:
1.    Klimaschutz, der zwar als notwendiges und gutes Vorhaben akzeptiert werde, aber es bleibe die Frage, wer im wesentlichen zahlen solle. Nicole Marquardsen, seit 2013 Geschäftsführerin des VSW: „Klimaschutz muss auch für den Mittelstand bezahlbar sein.“ Auch eine Umkehr beziehungsweise Kontrolle der Energiepreissteigerung sei wünschenswert.
2.    Fachkräftemangel. „Unsere Mitglieder fragen, wie sie Wachstumsziele erreichen sollen, wenn Mitarbeiter fehlen. Sie wünschen sich unter anderem eine Einwanderungspolitik, die tendenziell dazu beiträgt, das Problem kleiner zu machen“, sagte Oliver Franke. Lukas Kilian antwortete darauf direkt: Gezielte Migration und Anwerbung von Fachkräften inklusive hilfreicher Ergänzungen wie Familienansiedlung seien ein sehr großes Thema. Die Landesregierung versuche im Rahmen ihrer Fachkräfte-Initiative Schleswig-Holstein zu helfen, zum Beispiel mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom März 2020.
3.    „Unsere Unternehmen möchten pauschal weniger Bürokratie, vor allem bei Bauvorhaben und  der Fachkräfteanwerbung, die sie als hemmend für die Entwicklung bezeichnen“, sagte Franke.

„Das alles klingt plausibel, Bürokratieabbau und Fachkräftemangel gehen wir direkt an, in der Klimapolitik des Bundes wird die neue Regierung in Berlin den Ton angeben, darauf müssen wir reagieren“, sagte Tobias Koch, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Kieler Landtag. Es sei gleichzeitig aber auch interessant, welche Themen aktuell nicht als primäre Problemfelder benannt werden, nämlich Verkehr, Infrastruktur, Digitalisierung oder  die Wohnungssituation. Koch wertete letzteres als Verbesserungen durch die Arbeit der Jamaika-Koalition in den vergangenen viereinhalb Jahren.

Alle fünf Teilnehmer bewerteten den Gedankenaustausch als konstruktiv und nützlich, um unterschiedliche Perspektiven besser erkennen zu können. Es wurde verabredet, dass das Gespräch fortgesetzt werde und „ein kurzer Draht“ dafür sorgen solle, dass Probleme oder Unsicherheiten wie etwa die Handhabung von Corona-Regeln in Betrieben künftig zeitnah und direkt angesprochen werden könnten.

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