Rainer Wiegard: Die Politik darf nicht wegsehen.

04.12.2008

Schlussrunde zu den Beratungen über den Landeshaushalt.

Morgen beschließt der Finanzausschuss den Etatentwurf für die beiden kommenden Jahre. Im Interview mit Peter Höver steht Minister Rainer Wiegard (CDU) Rede und Antwort zur Spendierlaune der großen Koalition in Kiel, zur Wirtschaftskrise und zur Schieflage der HSH Nordbank.

Herr Minister, die Jahre fetter Steuerzuwächse scheinen vorbei zu sein. Ist das Land gerüstet für den Abschwung?

Halten wir erst einmal fest: Wir machen in den beiden kommenden Jahren jeweils weniger neue Schulden als wir für Investitionen ausgeben. Das sind etwa 900 Millionen Euro weniger Nettokreditaufnahme als noch vor drei Jahren.

Mit Verlaub: 2007 lagen die Einnahmen auch noch um 1,5 Milliarden Euro niedriger als für 2010 erwartet.

Das trifft zwar zu, aber dann dürfen Sie auch gern einmal abrechnen, dass den Kommunen davon 300 Millionen Euro zustehen und dass wir für Schulden aus der Vergangenheit 200 Millionen Euro zusätzlich zahlen müssen. Die Neuverschuldung ist zugleich um 900 Millionen Euro gesenkt worden. Dennoch investieren wir 200 Millionen extra in die Infrastruktur des Landes. Es gibt zusätzliches Geld für Bildung und Hochschulen, wir schaffen neue Lehrerstellen und weiten die Betreuung unter Dreijähriger aus.

Soll das die Spendierhosen beschreiben, in denen die Koalition seit Vorlage des Etatentwurfs die Neuverschuldung um fast 120 Millionen Euro ausgeweitet hat?

Wenn Sie von Spendierhosen reden, dann lesen Sie doch einmal nach, was in der Landespresse über die Situation etwa an den Gymnasien gedruckt wurde. Ich lese da immer wieder über Demonstrationen, Unterrichtsausfall und Lehrermangel. Ich habe das nicht zu verantworten, aber ich sage schon: Wenn es da Versäumnisse aus den vergangenen 20 Jahren gibt, dann können wir nicht die Augen davor verschließen.

Sie haben ihren Etatentwurf im Juli als "gewaltigen Schritt zum Haushalt ohne neue Schulden" bezeichnet. Gilt das noch?

Selbstverständlich. Angesichts der wirtschaftlichen Lage stecken wir aber in dem Spagat zwischen Neuverschuldung und nötigen Investitionen. Da sind wir übrigens nicht allein: Der Bund und alle Länder machen aktuell höhere Schulden, um den drohenden Abschwung abzufedern. Wir können doch nicht so tun, als gehe uns das nichts an. Zugleich nehme ich aus vielen Leitartikeln die Aufforderung zur Kenntnis, den bei der Föderalismusreform II eingeschlagenen Weg der Schuldenbegrenzung zu verlassen. Ich teile diese Forderung nicht.

Im Ernst: Was die Koalitionsfraktionen an Forderungen nachgelegt haben,...

...macht gerade einmal 0,12 Prozent des Haushaltsvolumens aus,...

...sind aber auch zu fast 100 Prozent Personalausgaben.

Das sind zum Großteil die Kosten für zusätzliche Lehrer. Im Übrigen habe ich nicht zu kommentieren, was das Parlament mit dem Regierungsentwurf macht.

Das würde uns aber schon interessieren.

Das kann ich verstehen. Dennoch werde ich das nicht kommentieren. Dass wir uns bei der Unterrichtsversorgung an der unteren Grenze dessen bewegen, was nötig wäre, ist nicht zu bestreiten. Und wenn der Landtag mehr Stellen will als die Regierung zur Verfügung gestellt hat, dann bleibt die Frage, wie das finanziert wird.

Davon haben wir fast nichts gehört in der Koalition. Hätte eine CDU in der Opposition den Regierungsfraktionen das durchgehen lassen?

Als wir in der Opposition waren, hat die rot-grüne Vorgängerregierung es in keinem einzigen Jahr geschafft, einen verfassungsgemäßen Abschluss hinzulegen. Wir haben das 2007 und 2008 im Vollzug des Haushalts geschafft. Und in den beiden kommenden Jahren wird uns das in der Planung auch gelingen.

Würden Sie darauf wetten, dass dieser Haushalt nach der Steuerschätzung im Mai 2009 im Vollzug noch verfassungsgemäß ist?

Ich wette da nicht. Ich kenne derzeit nur die Steuerprognosen, die im Mai und November dieses Jahres veranschlagt worden sind. Darauf basiert der Haushalt. Ich werde jedenfalls nicht den Weltuntergang ausrufen. Diejenigen, die das tun, sind zum Teil dieselben Leute, die noch vor neun Monaten vorausgesagt haben, die Steuern würden schon kräftig so weiter steigen wie 2006 und 2007 und man könne den Bürgern endlich mit Steuersenkungen entgegenkommen. Nun warten wir doch erst einmal ab, welche Wirkung die vom Bund und den Ländern beschlossenen Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur entfalten.

Wie viel Risikopuffer bleibt denn im Haushalt?

Schleswig-Holstein hat weiter eine außerordentlich schwierige Finanzlage. Die ist durch den Ausfall von 145 Millionen Euro erwarteter Dividende aus der HSH Nordbank nicht einfacher geworden. Wir sind nicht in der Lage, über längere Zeit größere Einbrüche auf der Einnahmeseite aufzufangen.

Warum kommt diese Koalition nicht voran beim Abbau von Aufgaben und Personal?

Was für eine Frage! Berichten Sie nicht mit großer Freude darüber, wenn sich die Koalition hier mal wieder nicht einig ist? Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ich warne aber vor dem häufig auch veröffentlichten Unsinn, eine Verwaltungsreform sei der Schlüssel zur Beseitigung des strukturellen Defizits im Landeshaushalt. Da hilft auch keine Kreisgebietsreform. Das strukturelle Defizit des Landeshaushaltes liegt bei 600 Millionen Euro, und das liegt schlicht daran, dass die Steuerquote je Einwohner deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt...

...und die Zinsbelastung pro Kopf deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

So ist es. Das sind Versäumnisse beim Ausbau der Infrastruktur der vergangenen 20 Jahre und Lasten aus der Verschuldung, die da drücken. Das mit einer Verwaltungsreform beseitigen zu wollen, hieße 12000 Stellen in Ministerien und Verwaltung abzubauen, die wir dort gar nicht haben.

Stattdessen packt die Koalition Stellen obendrauf.

Und zwar für Bildung, so wie das etwa in allen schleswig-holsteinischen Zeitungen immer gefordert wird.

Heißt das, Sie machen Politik nach Presselage?

Nein, aber wenn es in bestimmten Bereichen Defizite gibt, dann kann die Politik nicht einfach wegsehen.

Wie krank ist der Patient HSH Nordbank wirklich und was kommt auf den Steuerzahler noch zu?

Dazu hören Sie von mir etwas, wenn ich Klarheit darüber habe, wie die Vorgaben des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung erfüllt werden können. Hieran wird gegenwärtig gearbeitet. Es wäre falsch, täglich neue Wasserstandsmeldungen abzugeben.